Psychological Landscapes

#5 – Wetter Part 1

17. Februar 2021

Psychologial landscapes 5 Wetter Windriver1

Cory

Wir alle spielen verschiedene Rollen in unserem Leben. Wir wechseln von einer zur anderen, manchmal mit einem heftigen Ruck, dann wieder unbemerkt, geschmeidig, mühelos. Wer bist du im Garten, wer bist du im Kaufhaus, wer bist du im Bett.

Wer bist du in Uniform, in der Badewanne, in der Zwickmühle, im Wald.

Cory ist ein Weißer im Windriver Reservat.
Cory ist Wildhüter, Fährtenleser, Jäger.
Cory ist Vater von zwei Kindern, eins davon nicht mehr am Leben.

Aus welchen Elementen setzt sich die Landschaft zusammen?Psychological Landscapes #5 Wetter
Welche Wirkung entwickelt sie dadurch?

Cory ist ein schwarzer Punkt in der weißen Weite, am Horizont Wald, blaue Berge, Licht. Darunter Schnee und kahle Bäume. Hier ist der Mensch der Natur untergeordnet. Winzig, in ihrer Weite. Kälte rückt stetig ein. Hier ist es kein Zufall, wenn es friert. Hier lebt man in den Minusgraden.

Psychological Landscapes #5 Wetter

Wer in dieser Umgebung bestehen will, braucht Zähigkeit. Braucht ungeschriebenes Wissen und eine durch Erfahrung geschulte Intuition. Diese Landschaft duldet keine Fehltritte. Wenn du nicht aufpasst, sinkst du ein, frierst ab, verlierst dich. Hier hilft es nichts, müßig vor sich hin zu jammern, Schnee zu kicken, die Fäuste zu schütteln, den Kopf zu schütteln, einen anderen zu schütteln. Alles, was man tun kann, ist, sich in die Unwirtlichkeit hinein zu lehnen, sie als Maßstab anzuerkennen.

Der Mensch braucht Wärme zum Überleben. Warme Augen, die einen ansehen, warme Hände die einen berühren, Schutz, Nahrung, Gemeinschaft. Wenn die innere Temperatur zu stark absinkt, wird es lebensgefährlich. Wo alles um einen herum kalt ist, wird Wärme zu einem Luxusgut. Liebe, Familie, eine vertraute Berührung, Geborgenheit. Wer es hat, muss es umkämpfen, wer nicht, steht draußen und blickt hinein.

Es kann sein, dass du nur deine Familie ernähren willst, aber ein anderer sich an dir stößt und deine Fährt aufnimmt. Hier ist einer, der Wärme genießt, immer der Gefahr ausgesetzt, dass sie ihm gestohlen wird. Abgejagt. Aus den Fingern gewrungen oder unter deinen unaufmerksamen Augen weggeschleppt.

Es herrscht das unbeschriebene Gefühl, von hungrigen Augen, die jeden deiner Schritte zählen. Lautlosen Bewegungen im Schnee. Nur noch Spuren, wo ein Kampf stattfand. Ein Wolf weiß vor dir, das du sein Territorium betrittst.

In welcher Beziehung steht die Landschaft zu dem Charakter, der sich in ihr bewegt?
Psychological Landscapes #5 Wetter

Windriver bereitet sich auf einen Schneesturm vor. Ein Puma hat einen Ochsen gerissen. Cory soll sie und ihre Jungen aufzuspüren und erlegen.  Er bemerkt Spuren im Schnee, hält den Schlitten an, holt seine Tarnkleidung aus dem Rucksack. Über die braune Jacke, die Hose, kommt ein weißer Anzug mit Kapuze. Schneeschuhe an. Ein unsichtbares Michelin Männchen mit einem silbernen Revolver. Die Flinte steckt im Rucksack. Der Mensch als Landschaft.

Alle wollen weg, keiner kann. Natalie und Matt träumen von einem Leben in Ojai, wo man Orangen vom Baum pflücken kann. Emily schreibt von einem Ort, an dem es nie Winter wird. Wilma will nach Jackson, um in einem Hotel zu arbeiten. Chip muss high sein, um woanders hinzufliegen. Nur Cory stapft stoisch durch den Schnee.

Cory ist ständig von Tod umgeben. Er schleift tote Wölfe hinter sich her, begutachtet erlegte Ochsen, stupst abgenagte Knochen mit dem Fuß an. Er beobachtet genau. Hat ein Tier ein anderes getötet, heftet er sich an seine Fersen, folgt ihm solange, bis er es gefunden hat. Als wäre das Töten ein Duft, der hinter Mensch und Tier einher weht. Er verschmilzt mit der Umgebung, muss sich in ihr annähern, anpassen, sich vor ihr verbergen. Für die Länge einer Spurensuche ist er ein Wolf im Winterpelz, ein Mensch im Schneeanzug. Jäger jagt Jäger.

Psychological Landscapes #5 Wetter

Inwiefern spiegelt die Landschaft die Gefühlswelt des Charakters wieder?

Für Cory ist Kälte zur Realität geworden. Manchmal Sonne im Gesicht, seinen Sohn abholen, Pferd tätscheln. Ein Gespräch mit seinem Ex-Schwiegervater. Ansonsten, Schnee und Stille. Das leise Knacken von Ästen, ein Rausch Schnee der von einem Ast rieselt, wenn man sich darunter her bückt. Das Knurren eines Puma Weibchens, ein Vogel der sich vom Baum erhebt. Anstatt sich vor der Wildnis, vor der Leere, vor den Tieren zu verstecken, geht er geradlinig in die Richtung, aus der die Bedrohung kommt.

Er versucht nicht, Lücken zu stopfen, zu pflanzen, aufzuwühlen. Alles, worauf er sich konzentriert, ist ein Gleichgewicht wieder herzustellen. Ein Wolf für fünf Schafe.

Welche psychologische Funktion hat die Szene innerhalb der Geschichte?

Mit dieser Szene beginnt sich die Geschichte aus dem Status Quo heraus zu bewegen. Er findet keinen Puma, sondern die Leiche eines Mädchens. Ab diesem Zeitpunkt wird deutlich, das unter dem weißen Anzug, Cory in der braunen Jacke ist. Das er seine Rolle als Vater nicht mehr ablegt, wenn er in die des Jägers schlüpft. Er weiß, was Schnee und Stille aus einem Menschen machen können.

 

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Part II: Elemente einer Landschaft: Wetter

Folgt.

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