Psychological Landscapes

#6 – Die Ebene

24. März 2021
#6 PSYCHOLOGICAL LANDSCAPES Ebene

Aus welchen Elementen setzt sich die Landschaft zusammen?
Psychological landscapes #6 Ebene

Es gibt nicht viel zu sehen, wenn man in Flagstone aus dem Zug steigt. Ein paar staubige Häuser, eine Menge Krimskrams, Esel, Maultiere, Kutschen, Farmer, Röcke, Koffer, Taschenuhren. Dann die Straße, die ins Nichts führt. Oder, der Freiheit entgegen.

 

Wo einem niemand in den Nacken hustet, am Ellenbogen steht, ein Bein stellt. Luft, so weit die Arme reichen. Ein blauer Himmel. Berge, die wie abgestellt aussehen. Wollte jemand mit denen noch was machen? Die Sonne am Himmel brennt gelassen herab. Du kannst ja sehen, wo du bleibst. Immerhin winden sich Straßen durchs Nirgendwo. Kann  manchmal eine eingedrückte Raststätte am Wegesrand stehen.

Welche Wirkung entwickelt sie dadurch?

Nach schillernden Träumen von Gold, Silber, wogenden Feldern, kreisenden Adlern, Mais, Mehl, Wasser, Blumen, Wiese, sieht für viele Angereiste der Westen eher wie Rock Bottom aus. Man hockt auf der Treppe vor dem Konservenladen und späht in eine ungewisse Zukunft. Man geht zum Brunnen, holt Wasser, spatet im Sand herum. Guck nicht über die Schulter, halt nicht inne. Seh nicht so aus, als wüsstest du nicht, was du tust. Einfach weiter machen. Einen Saloon bauen, ein Bordell aufmachen, einen Büchsenladen, den Sattel einfetten, den Fußboden wischen, die Prügelscheibe ersetzen lassen. Einfach so tun, als wär nichts.

Wenn dich einer anspricht, kannst du ihm ja was über diese schöne neue Stadt erzählen. Und dich abends abgekämpft auf die klumpige Matratze sinken lassen. Noch einmal alle Szenarien durchspielen. Mais, Mehl, Wasser, Blumen, Wiese, Gold, Silber…bis der Schlaf an den Schläfen zieht und bis zum nächsten Morgen alles in Ordnung ist. Außer ein Rums lässt dich aus dem Bett fallen. Und dunkle Pferde vor deinem Fenster tänzeln mit Männern drauf, die man nicht gut erkennen kann. Schüsse, die die Nacht zerfetzen. Ach du meine Güte.

Jill kann das egal sein. Sie wird sich nicht in die Stadt quetschen. Sie bleibt hier draußen.

In welcher Beziehung steht die Landschaft zu dem Charakter, der sich in ihr bewegt?

Was hat sie hier gesucht. Ein neues Leben in Gesellschaft von nur einem Mann. Der ihr vertraut und dem sie vertrauen kann. Eine einfache, selbstgemachte Existenz, ehrlich, nahrhaft, liebevoll. So etwas ist in der Dürre des Lebens ich einfach zu finden. Aber mit genug Hartnäckigkeit, kann man selbst aus dem steinernsten Loch Süßwasser quellen lassen. Selbst wenn alle Gäste gegangen sind und hinter dem Haus fünf neue Kreuze stehen.

Psycholgical landscapes #6 Ebene

Inwiefern spiegelt die Landschaft die Gefühlswelt des Charakters wieder?

Für Jill gibt es kein Zurück mehr. Sie hat die Stadt hinter sich gelassen. Die Gassen, Balkone, Stoffstreifen, Türen, die in den Angeln quietschen. Spione in der Tapete, Samtsessel, Backsteinfassaden. Menschengedränge, Glockenläuten, Plunderteilchen. Sie ist auf dem Grund angekommen. Und von dieser untersten, kargen Platform aus, kann man eine neue Perspektive aufs Leben gewinnen. Hier weht der Wind und fegt den Sand über die Prärie. Hier gehen die Sterne auf, und nachts zirpen die Zikaden. Hier ist man einsam. Aber frei.

Psycholgical landscapes #6 Ebene

 

Welche psychologische Funktion hat die Szene innerhalb der Geschichte?

Zivilisation ist nur ein fernes Echo. Ein Hall, der durch die Schluchten zieht. Das Stapfen des Sheriffs, die Hand an der Westentasche, ein Seufzen, Achselzucken, Schweiß von der Stirn wischen. Im Zweifelsfall ist man auf sich selbst angewiesen. Zuhause, das ist ab jetzt kein Mann. Keine Familie. Kein Tisch zu gemeinsam dran sitzen. Das ist die Bergkette am Rand des Horizonts. Der Nachthimmel, von nichts verstellt. Sand, in dem man beim Gräbergraben nicht auf Süßwasser stößt.

Vielleicht hat sie gar nie nach New Orleans gehört. Vielleicht war es immer diese karge, weite Ebene, die nach ihr gerufen hat. Mach dein eigenes Ding.

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