Martin Luther 2017

Martin Luther #10 Martin und Katharina

9. März 2017
Martin und Katharina

Filmszene: Katharina Luther, 2016

Am 22. Februar wurde – natürlich aus Anlass des Lutherjahres 2017 – der Fernsehfilm Katharina Luther über das Leben von Katharina von Bora, der späteren Ehefrau von Martin Luther, ausgestrahlt. Ich habe den Film vor ein paar Tagen nachträglich in der Mediathek der ARD gesehen. Mir gefällt, wie Karoline Schuch die Katharina spielt und Devid Striesow sich Mühe gibt, Luther darzustellen. Ich finde auch gut, dass eine weibliche Regisseurin das Drehbuch umgesetzt hat. Karoline habe ich 2004 am Filmset kennengelernt. Ich mag, wie sie ihre Karriere mit guten Filmprojekten ausbaut. Aber irgendwie – und daran sind weder die Schauspieler noch die Regisseurin schuld – ist nach dem Film bei mir das ungute Gefühl zurückgeblieben, dass diese filmischen Interpretation der Beziehung von Martin und Katharina voll daneben liegt.

Am ehesten kann man wohl den Drehbuchautoren (ja, ein Mann) dafür verantwortlich machen, aber ich weiß ja wie es in den Redaktionen der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten zugeht: Man will ein bestimmtes Bild. Eines, das die Zuschauer verstehen. Oder von dem man glaubt, dass sie es verstehen würden.

Wer heiratet wen?

Ich schreibe diesen Blogbeitrag am 8. März, dem Internationalen Frauentag und gerade erscheint mir das bedeutsam. Klara Zetkin schlug 1910 vor, dass es einen solchen Tag geben sollte, der im Zusammenhang mit dem Kampf um die Gleichberechtigung, dem Wahlrecht für Frauen und der Emanzipation von Arbeiterinnen stand. Nun liegen zwischen 1910 und 1525, dem Tag, an dem Katharina von Bora Luther heiratete, schon vier Jahrhunderte, aber auch 1910 ist schon ein Jahrhundert her. Und darum muss ich mir das mit Luther und Katharina doch mal ein wenig genauer ansehen.

Ins Kloster

Katharina Luther. Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, 1526

Katharina von Bora kam mit 10 Jahren ins Kloster. Wie? Nun, es war damals für verarmte adelige Familien üblich, ihre Töchter im Kloster abzuliefern. Man konnte sie nicht ernähren, aber mit 10 Jahren auch noch nicht verheiraten und zur Prostitution (noch heute in bestimmten Ländern unserer Erde eine übliche Lösung) wollte man sie natürlich auch nicht freigeben. Das war also eine ganz passable Lösung. Immerhin erhielten die Mädchen so eine gute Bildung, lernten lesen und schreiben. Aufklärung beginnt mit Wissen. Katharina lernte im Kloster außerdem betriebwirtschaftliche Grundlagen, (Kräuter)heilkunde, Latein und Singen. Dort las sie auch Luthers Schriften und fing an, ein paar Dinge über ihre religiöse und gesellschaftliche Erziehung in Frage zu stellen. Und steckte ihre Freundinnen damit an.

Rebellisch und eigensinnig

Aus: Katharina Luther. Der Film. 2016

Katharina von Bora muss schon eine besondere Frau gewesen sein. Obwohl von der Familie abgeschoben, fühlte sie sich nie als Opfer. Sie nahmen Briefkontakt mit Luther auf und bat ihn um Hilfe. Und Luther reagierte und organisierte 1523 die Flucht von Katharina und acht anderen Ordensschwestern. Leonard Koppe, ein Ratsherr aus Torgau, holte die Nonnen mit einem Karren im Kloster ab, versteckte sie hinter Fässern und brachte sie zu Luther. Der sich verantwortlich fühlte, die Frauen auf Wittenberger Haushalte verteilte und sich auch darum kümmerte, sie unter eine neue Haube zu bringen – um sie zu schützen.

Hans Brosamer, 1530

Wer heiratet wen?

Im Film wird uns durch Bilder, Gesten und Blicke erzählt, dass Martin und Katharina sofort etwas verband. Liebe auf den ersten Blick. Die Realität sah wohl etwas anders aus, wenn man sich die verschiedenen Bücher über Katharina von Bora ansieht. Wer tief in die Quellen einsteigen möchte, kann hier anfangen und auch erfahren, dass es schon 1698 eine erste Biografie über Katharina gab. Aus den Quellen ergibt sich ein anderes Bild als im Film. Um es salopp zu sagen: Luther war eigentlich scharf auf Katharinas beste Klosterfreudin Ave von Schönfeld, die sich aber entschied Basilius Axt zu heiraten. Und Katharina wollte eigentlich den Studenten Hieronymus Baumgartner heiraten, dem seine Eltern die Heirat mit einer entlaufenen Nonne verbaten. Wenn man die Namen recherchiert wird einem klar, dass das tinder auf sehr hohem Niveau war.

Gleich und gleich

ARD, am Set von „Katharina Luther“

Katharina und Martin haben dann auch begriffen, dass sie als Rebellen und Dickköpfe, Aufrührer und Anführer eigentlich am besten zueinanderpassten. Keine leichte Ehe, wie man sich denken kann.

Doch während einem der Film mühsam beibringen will, wie emanzipiert Katharina „für ihre Zeit“ war, reicht es eigentlich, irgendeine Biographien über sie zu lesen, um zu verstehen, dass es heute nur wenige Frauen gibt, die ihr an Power und Selbstbewusstsein gleichkommen. Oder emanzipierter wären.

Das Unternehmen Luther

Katharina war nicht nur emanzipiert, sondern auch ehrgeizig. Eigentlich seltsam, dass es so viele Biografien schaffen, ihren Wirkungskreis „nur“ im Haushalt von Luther zu sehen, während sie doch eigentlich das „Unternehmen Luther“ wie eine sehr fähige Geschäftsführerin leitete. Und zwar sowohl organisatorisch als auch finanziell. Ihr ist es zu verdanken, dass Luther über seine Arbeit und sein Wissen wirtschaftlich nachdachte. Schüler aufnahm, sich organisierte. Sie kaufte Land und sorgte für Wohlstand.

Kinder und Familie

Auch seltsam: Die Anfänge der Ehe von Katharina und Martin werden im Film zärtlich, zögernd und keusch darstellt. Vielleicht um Sympathie für eine doch recht pragmatische Beziehung zu schaffen. Als ob sie sich nicht sofort zusammen ins Bett gelegt hätten! Eigentlich reicht es ja schon, auf die Daten zu sehen: Heirat am 13. Juni 1525, Geburt des ersten Kindes am 7. Juni 1526. Vielleicht sollte man drei Monate nicht verklären und überbewerten und sich einfach eingestehen: Sex und Schwangerschaft waren damals – no big deal. Auch wenn das natürlich für die Frauen der Zeit ein ziemlich großer Deal gewesen sein muss. Allein körperlich. Zwischen 1526 und 1534 bekommt Katharina Luther sechs Kinder. Oder auch seelisch, denn zwei ihrer Kinder sterben noch jung. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, wie man das alles schaffen kann.

Ein Team

Lucas Cranach der Ältere: 1529

Was mich am meisten an Martin und Katharina beeindruckt ist, was für ein gutes Team die beiden waren. Intellektuell, wirtschaftlich, erzieherisch, gesellschaftlich.

Wenn man sich diese Ehe/Beziehung/Freundschaft/Partnerschaft heute ansieht, dann kann man sich nur fragen, warum wir 500 Jahr später immer noch Filme machen, die Frauen in das rechte Licht rücken, statt dass Frauen Filme machen, die rocken. Aber – na ja. Ich würde als Zusatz zum Film auf jeden Fall eine gute Katharina-von-Bora-Biografie lesen. Und dann vielleicht ein ausführliches Gespräch mit dem/er PartnerIn führen, was man alles noch besser machen kann ;)

  • Roland
    10. März 2017 at 01:22

    Wieder ein sehr interessanter, nachdenklich machender und mit Emphase geschriebener Beitrag. Da ich den TV Film ‚Katherina von Bora‘ auch gesehen habe, auch ahne welche Motive in den Fernsehanstalten vorherrschen, kann ich dir voll zustimmen. Ich habe das nicht so ernsthaft und tiefgründig gesehen – mehr aus Neugierde – denn über Luthers Ehe war ich bis heute (dank euren Beiträgen!) weniger informiert.
    Ich stimme dir zu, dass eine kluge Frau wohl ein besseres Drehbuch geschrieben hätte, das ein ehrlicheres Bild hätte vermitteln können. Für die Frauen wohl, denn die Männer (das weiß ich von mir selber) sind da in den meisten Fällen nicht so sensibilisiert. Ich fand den Film auch etwas plakativ, ziemlich einfach gestrickt und finde deine Bemerkung, … dass Devid Striesow sich bemühte Luther darzustellen … einfach köstlich. Sowas sieht natürlich nur eine Frau vom Fach!

    Filmen kostet einfach aberwitzig viel Geld. Ohne Sponsoren, reiche Produzenten ist kaum eine Produktion möglich. Und dabei kommt immer nur eine massen-taugliche ‚Ware‘ heraus. Da durfte ich auch mal einige Monate meine Nase hineinstecken – im Mekka der Filmindustrie, in Hollywood, das war schon ziemlich ernüchternd.

    Gelungen finde ich den Absatz ‚Wer heiratet wen‘ und das mit ‚tinder‘ auf hohem Niveau treffend zu beschreiben. Wenn alle Biografien so amüsant lesbar wären, dann würden sich sicher mehr Leser und Filmzuschauer tiefer informieren. So lebt man halt flach dahin und winkt ab, ist mit der oberflächlichen Information der Bilder und den rudimentären Aussagen zufrieden. Darum ist es wichtig, dass AutorInnen die das durchschauen uns Leser immer wieder kitzeln, damit wir neugierig auf das Nichtsichtbare, das Hintersinnige werden. Das ist dir hervorragend, ja super, super gelungen, liebe Katrin!

    Das Beste in deinem Beitrag:
    Wenn man sich diese Ehe/Beziehung/Freundschaft/Partnerschaft heute ansieht, dann kann man sich nur fragen, warum wir 500 Jahr später immer noch Filme machen, die Frauen in das rechte Licht rücken, statt dass Frauen Filme machen, die rocken. Aber – na ja. Ich würde als Zusatz zum Film auf jeden Fall eine gute Katharina-von-Bora-Biografie lesen. Und dann vielleicht ein ausführliches Gespräch mit dem/er PartnerIn führen, was man alles noch besser machen kann ;)

    Nur zu einem Punkt habe ich eine andere Meinung. Den Frauentag. Das kommt mir so vor wie Muttertag. Einmal im Jahr wird das Thema in den Kultursendungen abgehandelt, so wie man (in vielen, natürlich nicht in allen Fällen) dann der Mutter Blumen schenkt und sie zum Essen ausführt – sonst aber das ganze Jahr kaum Anteil an dem Denken und Gefühlen der alten Dame nimmt. Jeder Tag sollte Frauentag sein! Auch jeder Tag Partnertag. Ohne Gedöns und besondere Feierlichkeit, sondern mit Zuhören und verständniswilligen Gessprächen.

    Ich staune selber, welche Gedankengänge durch das Lutherjahr angeregt werden.

    Danke für den wunderschönen, sehr informativen Beitrag.
    Roland

    • Katrin
      10. März 2017 at 18:06

      Hi Roland,

      danke für deinen Kommentar. Wie immer sehr interessante Gedanken.

      Zum Frauentag muss ich doch noch mal was sagen: Das ist kein Gedenktag, sondern eine politische Errungenschaft. Es geht dabei auch nicht um „alle Frauen“, sondern um die RECHTE aller Frauen. Seltsam, dass man das gerne mit dem Muttertag vergleicht, der ja keinerlei politische Bedeutung hat. Wer also seiner Frau am Frauentag Rosen schenken möchte, der sollte besser gleich zu seinem Arbeitgeber gehen und um gleiches Gehalt für die weibliche Kollegin bitten. Oder eine Petition für das Frauenwahlrecht in Brunei oder das uneingeschränktes Wahlrecht für Frauen im Libanon unterschreiben. (Im Libanon dürfen Frauen nur wählen, wenn sie einen gewissen Bildungsgrad nachweisen können.)
      Okay, ich gerate schon wieder in Emphase … :)

      Ein schönes Wochenende!

      • Roland
        11. März 2017 at 00:51

        Hi Katrin,

        da bin ich mit meiner vorschnellen und ziemlich unüberlegten Bemerkung zum Frauentag ziemlich ins Fettnäpfchen getreten. Du hast natürlich völlig recht, es ist schließlich kein ‚Gedenktag‘ wie Muttertag oder Valentinstag. Das war ein ziemlich schiefer Vergleich, besonders weil ich selber genau weiß, wie Frauen weltweit, auch in Europa nicht nur schlechter bezahlt (bei gleicher Qualifikation), schlechter behandelt und am schlimmsten in ihren Rechten teilweise bis zum Anhängsel ihres Ehemannes degradiert und benachteiligt werden. Dafür gilt es zu kämpfen – und hier meine Entschuldigung für meinen unbedachten Vergleich mit anderen ‚Gedenktagen , ins besonders den Muttertag. Ich habe das in einen Topf geworfen, folgte auch einer Radiokommentarin an diesem Tag, die einen ‚einzelnen‘ Tag im Jahr ablehnte und dafür eintrat, man solle lieber 365 Tage im Jahr diese Rechte vehement vertreten und im Bewußtsein halten. So wie du auch bemerktest, auch im engeren Kreis darüber Gespräche führen und nicht alles den an diesem Tag stattfindenden Kultursendungen, oder den Medien überlassen. Da kannst du sicher sein, dass ich für die Rechte der Frauen ein starkes Bewußtsein habe und darüber so manche hitzigen Debatten ausfocht.. Ich ärgere mich aber auch immer über Politikerinnen, die ja als Frauen auf politischen Bühne was tun könnten – aber wie viele Beispiele in der Weltpolitik zeigen, sind diese Geschlechtsgenossinnen oft schlimmer (nicht nur was Frauenrechte anbelangt) als Männer.
        Auch persönlich hatte ich ein derartiges Erlebnis. In meiner Zeit als Versuchsmechaniker im Forschungszentrum einer namhaften Autofirma hatte ich eine sehr beliebte und hochbegabte Chefin als leitende Ingenieurin. Alle Mitarbeiter bewunderten sie, sie führte die Abteilung auch mit Witz und Charme. In meinem Bekanntenkreis war damals eine junge Frau, die Maschinenbau studierte und mich bat, mal bei meiner Chefin unverbindlich nachzufragen, wegen eines unbezahlten Praktikums. Was ich dann tat – und schroff abgewiesen wurde mit dem Argument, sie wolle nicht, dass noch mehr Frauen in höhere technische Bereiche vorstoßen würden – die wenigsten wären dafür geeignet. Meine Bekannte hat sich dann offiziell über die Personalabteilung beworben, mit bestem Studienabschluß – und wurde abgelehnt. Also ich weiß das schon und möchte mich ernsthaft für meine Aussage entschuldigen. Natürlich bin ich für die Rechte der Frauen, auch ohne besonderen ‚Frauentag‘ der von vielen Politikern gerne und oft als Feigenblatt benutzt wird – und hier wieder der schiefe Vergleich – danach kümmert sich keiner mehr, wie die Frauen fühlen und denken und leiden. Da muss sich wohl erst das noch immer vorherrschende Patriarchats Prinzip auflösen.

        Hat mich doch gefreut, dass du darüber so in ‚Emphase‘ geraten bist. Nix für ungut!

        Roland

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