Martin Luther 2017

Martin Luther #8 Gott übersetzen

23. Februar 2017
Gott übersetzen

Zeus oder Poseidon um 460 vor Christi

Seit ich es im Theologiestudium gelernt habe, fasziniert es mich: Wie haben die ersten Menschen, die dann irgendwann nicht mehr an viele Götter (man denke Zeus und Merkus etc.), sondern an EINEN Gott geglaubt haben, ihn genannt?

Etwa Gott?

Echt jetzt? So profan? Ich meine: Ihr (Römer) sagt Götter und wir sagen – GOTT? Ist das echt der beste Werbeslogan, den ihr auf Lager habt? Für das neue Konzept? Den NEUEN Glauben?

Oh, nein, die ersten Monotheisten, die Juden, hatten ein ziemlich gutes Konzept für ihren neuen Glauben. Ein Wahnsinnskonzept! Der neue Gott, war nicht einfach: Gott.

Leider hat das Konzept ein wenig unter der Übersetzung gelitten. Woran – in bester Absicht – auch Luther schuld ist. Kein Vorwurf! Eher atemlose Bewunderung für jemanden, der sich mit Althebräisch, Griechisch, Latein und Deutsch so gut auskannte, dass er diese Schriften überhaupt übersetzen konnte. Der Reihe nach:

Luther übersetzt

Im Herbst 1521 übersetzte Luther das Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Als Vorlage dienten ihm unter anderem die Bibel von Erasmus von Rotterdam. Auf Griechisch. In der Sprache, in der die Texte des Neuen Testaments ursprünglich aufgeschrieben worden sind. Eine schlaue Entscheidung, wenn man eine gute, eine möglichst wahrheitsgetreue Übersetzung möchte, und das wollte Luther.

Ganz logisch folgte für Luther ab 1523- 1534 die Übersetzung der Schriften des späteren Alten Testaments. Und folgerichtig übersetzte er sie mit seinen Kollegen aus dem Althebräischen.

Althebräisch

Für mein Theologie-Studium musste ich Althebräisch lernen. Eine Sprache, die mir liegt, da sie mehr mit Zeichnen als mit Schreiben zu tun hat. Ich mag das Schriftbild.

Althebräisch wird von rechts nach links geschrieben und besteht nur aus Konsonanten. In Deutsch sähe das ungefähr so aus: MM ist Mama. BRT ist Brot. TXT ist Text. Wenn man das lesen will, geht es erstaunlich gut. Das meiste ergibt sich aus dem Kontext.

Punktation

Später hat man angefangen, das Ganze mal etwas verständlicher und deutungssicherer zu machen und 7 Vokalqualitäten eingeführt. Das sind übrigen keine Buchstaben, sondern Punkte bzw. kleine Striche, die – vereinfacht gesagt -anzeigen, ob man ein a oder o oder u einfügen muss. Was ja auch einfacher war, als in die alten Texte überall Vokale hineinzuquetschen. Ein Text mit eingefügten Vokalzeichen heißt „punktiert“.

Der kleine T-Träger ist also Lautqualität: a. Auf Deutsch könnte Mama dann so aussehen. Der „Vokal“ steht immer unter dem Buchstaben und wird danach eingefügt. So könnte man Mama tatsächlich von rechts oder links aus lesen.

Die alte Schrift

Für Luther und seine Kollegen war es ganz klar, dass man für eine gute Übersetzung die frühesten Urschriften verwenden muss. Das waren zu seiner Zeit die Handschriften der Masoreten. In Althebräisch mit angefügter Punktation (und ihr wisst ja jetzt auch, was das bedeutet.)

Man kannte damals nichts Neueres. (Heute übrigens schon: Ab 1947 hat man in elf Felshöhlen im Westjordanland etwa 850 Schriftrollen aus der Antike gefunden (Qumranschriften), die von etwa 500 verschiedenen Schreibern zwischen 250 v. Chr. und 40 n. Chr. erstellt wurden. Logisch waren da auch Schriften dabei, die später Bibelschriften wurden. Ein wahnsinniger Fund, aber das ist eine andere Geschichte.)

Ich will nur sagen: Luther war ganz nah dran an dem alten Gott. Dem neuen Konzept. Denn in diesen althebräischen Schriften ging es um DEN Gott. Wer war der Typ? Wie war der Typ?

Der Gott der Juden

Mein Theologieprofessor, Friedrich-Wilhelm Marquardt, war ein … Querdenker, ein Kopfaufbrecher. Einer von den Professoren, die man sich glücklich schätzen kann, in seinem Leben getroffen zu haben. Er ist schon länger tot, aber ich denke gerne an ihn. Mit Hochachtung. Eine „pointierte Stimme im jüdisch-christlichen Dialog“ (Wikipedia). Oder auch jemand, der sich ziemlich gut mit dem jüdischen Denken auskannte. Also der Kultur und den Menschen, die das Alte Testament verfasst haben. Von meinem Professor habe ich gelernt, dass die Juden den Namen ihres Gottes nicht aussprechen. Hä?

Wir beschwören das Höchste und können – nichts sagen? Wir haben da eine heilige Schrift, die lesen wir täglich, aber wir sprechen das Wort „Gott“ nicht aus? Wie machen wir das? Was machen wir dann?

Der, dessen Name nicht genannt werden darf

Nein, nicht Voldemort. Aber schon eine große starke Macht, der man mit einem WORT und überhaupt Sprache (die ja nur von Menschen erfunden wurde) nicht gerecht werden kann. Weshalb die Juden gesagt haben: Im Prinzip kann man den Namen dieser großen Macht nicht ausprechen. Unmöglich. Also, immer wenn wir über hämhämhäm reden, sagen wir etwas anderes. Nämlich: (mein) Herr.

Denn wir haben zwar ein Wort für Gott, doch das nehmen wir ja schon für all die anderen Götter wie Zeus und so.

„Gott“schreiben

Okay, schon klar. Guter Trick. Aber was machen wir nun, wenn wir über Gott – also den, dessen Name nicht genannt werden darf – schreiben wollen?

Um es nicht unnötig spannend zu machen: Es gibt den, dessen Name nicht genannt werden darf in den alten Schriften. Er wird mit vier Buchstaben gekennzeichnet. Was ihr hier oben seht, sind die hebräischen Buchstaben JHWH (von rechts nach links). Auch Tetragram genannt. Also Vierbuchstabenwort (nicht punktiert).

JHWH ist also der, dessen Name nicht gesagt werden darf. Es gibt sogar eine Bibelstelle, wo er sich seinem Volk vorstellt:

Übersetzt: „Ich bin JHWH, dein Gott (…)  du sollt keine andern Götter haben neben mir.“ (Moses 20,2-3).

YES! müssen die Übersetzer hier ausgerufen haben. Da haben wir sie alle nebeneinander. Die Wörter für Gott und Götter und dann noch diese 4 Buchstaben, die also hämhämhäm sind.

Gott lesen

Kleines Problem: Wie übersetze ich nun diese 4 Zeichen? Am besten doch wohl gar nicht. Gar nicht? Das höchste Prinzip? Oder man nimmt die Buchstaben einfach so. Als Zeichen? Aber wie soll man das den Leuten verkaufen?

Moment mal, haben sich Luther und die Kollegen vielleicht gesagt: Wieso übersetzen wir diese 4 Zeichen nicht mit dem Wort, das die Juden immer lesen, wenn sie an diese Stelle kommen. Die sprechen zwar die 4 Buchstaben nicht aus, aber sie sagen schon etwas, wenn sie den Text lesen. Nämlich: (mein) Herr.

Luther übersetzt Gott

Aber nun, Herr? Das ist ja nicht so ganz richtig. Und auch, wenn damals ganz sicher keine Frau unter den Übersetzern war, gab es schon das Gefühl, dass es eine bessere Lösung geben musste. Was haben Luther und sein Team also mit diesem Zeichen gemacht? Wie sollte er JHWH = GOTT übersetzen?

Nun, er hat HERR einfach mal groß geschrieben. Schaut in eure Lutherbibel. Genau. Groß. Das ist GOTT.

Statt den 4 Zeichen – 4 anderer Zeichen. HERR. Es war ja auch irgendwie richtig, auch wenn es schade ist, dass es nun HERR ist und nicht etwas, was weder männlich noch weiblich ist.

Also an alle Feministinnen: Luther und Co sind schuld. Und an alle Ungläubigen: Freunde, es geht hier nicht um Gott. Und an Luther: Good work.

Die neue Lutherbibel

Die Bibelgesellschaft hat übrigens im Lutherjahr 2017 die Lutherbibel in einer neuen, überarbeiteten Form herausgebracht. 70 TheologInnen  haben 5 Jahre lang daran gearbeitet. Etwa 40 Prozent sind geändert worden. HERR ist gleichgeblieben.

„Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (Neue Lutherbibel 2017)

  • Roland
    23. Februar 2017 at 23:45

    Hi Katrin,

    du verstehst es in deiner leichten Art auch schwierige Themen lesbar rüber zu bringen. In diesem Fall geht es um das Verständnis, was für ein außergewöhnlicher Mensch Luther war, mit genialer Sprach- und Auffassungsgabe. Danke auch für die Kurzeinführung der althebräischen Schrift, man hat ja schon Schwierigkeiten genug die überhaupt lesen zu können, geschweige denn sie zu übersetzen und zu deuten. Die Bibelübersetzung ins Deutsche war aber wohl Luthers Werk, das in den kommenden Jahren – eigentlich bis in die Moderne – am meisten Wirkung gezeigt hat. Gerade gestern habe ich im TV den Film ‚Katherina von Bora‘, die ehemalige Nonne und ab 1525 seine Ehefrau, mit großem Interesse angeschaut. Obwohl es noch Jahrhunderte dauerte (und keineswegs vollendet ist) hat Luther den Grundstein für die Gleichstellung der Frauen gelegt. Das war mir vorher alles nicht so klar, aber durch eure Luther-Beitrage war ich nun sensibilisiert, mein Interesse war geweckt! Da sieht man mal, was Literatur, bzw. AutorInnen die ihr Handwerk virtuos verstehen, bewirken kann. Mich den Atheisten (aber nur im Sinne von Kirchengläubigkeit) für das Thema Gott zu interessieren!

    Danke, ich lerne immer gerne dazu.
    Roland

    • Katrin
      24. Februar 2017 at 12:44

      Danke, Roland!

      Den Film haben wir uns hier auch vorgemerkt, allerdings gestern nicht gesehen, was wir dann in der Mediathek nachholen. Die Hauptdarstellerin (Caroline) kennen wir schon sehr lange, weil sie mal die Schwester von meinem Sohn Lenny in einer übrigens sehr lustigen TV-Serie („Typisch Mann!“) gespielt hat. Ja, da ging es auch um Männer und Frauen …

      Ja, Luther war genial, es macht uns allen richtig Spaß – auch für uns – ihn genauer anzusehen.
      Mich – als Atheistin – hat das Theologiestudium wieder komplett offen für DEN GLAUBEN (Kirche ist eine andere Sache) gemacht. „Gott“ ist schon ein sehr geniales —- ;)

      Liebe Grüße
      Katrin

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