Rezension

“In blaukalter Tiefe” von Kristina Hauff

23. Februar 2023
"In blaukalter Tiefe" von Kristina Hauff“In blaukalter Tiefe” von Kristina Hauff

Kristina Hauffs Buch hat mich aus drei Gründen sofort angesprochen: Als Seglerin und weil ich nordische Landschaften und Bücher über Beziehungen liebe. Ja, auch das Cover ist wunderschön und stimmt gut auf ein Buch ein, das ich – trotz der sich steigernden Dramatik – als Wohlfühlbuch bezeichnen würde. Tatsächlich habe ich mich wie auf einem Segeltörn gefühlt und die Atmosphäre auf dem Boot, auf dem Meer und in den Sphären extrem genossen. Die Bilder dazu entstanden von selbst im Kopf. Okay, vielleicht war es leichter, weil ich eben schon oft an Bord eines Bootes gewesen bin und selbst segele.

Und was ist mit den Beziehungen? Das, was sich an Bord zwischen den fünf Personen abspielt, zwei Pärchen und ein Skipper, die für zwei Wochen zusammen dort “eingesperrt”sind, ist nichts, bei dem man gerne dabei wäre. Und doch funktioniert es, da man als Leserin jederzeit ein- und einsteigen kann. Kristina Hauff vergleicht diese Form des Kammerspiels, die sie für ihren Roman gewählt hat, mit Yasmina Rezas Der Gott des Gemetzels. Ich bin ein großer Fan von Rezas Theaterstücken, hier kenne ich nur den Film, den Roman Polanski 2011 mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly verfilmt hat. Zwei Elternpaare, die sich im Laufe einer Aussprache quasi selbst zerlegen. Unbedingt empfehlenswert.

Drama auf See

Macht es Spaß, so etwas mit anzusehen? Ich finde ja, wenn es intelligent gemacht ist, die Dialoge stimmen, und eine Spannung aufrechterhalten wird. Wenn ich wissen möchte, auf was dieses Zusammentreffen hinausläuft. Und so ist es auch bei Hauffs Segeltörn. Ich wollte wissen, ob und wie die Stimmung zwischen den beiden Paaren eskaliert, welche Rolle der mysteriöse Skipper spielt, ob alle überleben, denn schon im Klappentext ist ein großer Sturm angekündigt.

“Ein Segeltörn in die wildromantischen schwedischen Schären – Caroline und ihr Mann Andreas erfüllen sich damit einen lang gehegten Traum. Auch Andreas’ junger Anwaltskollege und seine Freundin sind an Bord sowie der undurchschaubare, faszinierende Skipper Eric. Der Urlaub beginnt mit frischem sonnigen Wetter und erlesenen Abendessen, doch bald wird die See rauer und verborgene Konflikte lassen die Luft unter Deck immer drückender erscheinen. Bis eines Nachts ein gefährlicher Sturm losbricht.” (Hanser)

Der Roman profitiert eindeutig davon, dass Kristina Hauff eine leidenschaftliche Seglerin ist und auch die Landschaft, das Meer gut kennt, das sie beschreibt. Ebenso das Essen, die Orte und Lebensgewohnheiten, das Wetter. Man ist dabei, spürt, das jedes Detail selbst erlebt ist. Das gilt für die Abläufe an Bord ebenso wie für das Miteinander der Protagonisten. Hauff kennt sich im gehobenen Mittelstand, zerrissen zwischen dem Wunsch nach einem Lebenssinn und der Karriere, bestens aus.

Sprache

Die Sprache ist einfach und klar, was ich grundsätzlich schätze. Für mich hätte die Geschichte sprachlich anspruchsvoller erzählt werden können, mir fehlten Mut in den Dialogen und Formulierungen. Ich fühlte mich an  einem ARD-Abendfilm erinnert. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass die leichte Lesbarkeit des Romans eben genau dran liegt. Sprache und Stil sind sehr konventionell und überraschungsfrei. Hauff erzählt flüssig und schlüssig und beides ist angenehm.

Erzählweise und Dramaturgie

Die Erzählweise ist ungewöhnlich. Am Anfang des Buches hatte ich den Eindruck, es geht hauptsächlich um Caroline.

“Meine Hauptfigur Caroline ist Chefredakteurin eines Lifestylemagazins. Elegant, selbstbewusst, einsam. Sie hat niemandem, dem sie ihr größtes Geheimnis anvertrauen kann. Caroline hat bisher für ihre Karriere gelebt, nun steckt sie beruflich und privat in einer Krise. Sie ist innerlich bereit für einen Neuanfang, nur weiß sie es noch nicht.” (Kristina Hauff)

Der Roman beginnt in der dritten Person, aus Carolines Perspektive. Doch dann ändert sich der Fokus und die Handlung springt im nächsten Kapitel zu Tanja, dann zu Andreas (Carolines Mann) und später in der Geschichte auch zu Daniel.

“CAROLINE: Als sie mit dem Essen begannen, war Eric noch nicht zurück. Caroline sah das verlassene Beiboot auf den Felsen liegen.
Andreas öffnete eine neue Flasche Wein, die angebrochene hatte er nicht mehr aus der Kajüte mitgebracht. Sie aßen schweigend. Die Sonne balancierte auf der Skyline der Schäre, ein letztes Aufglühen, dann eroberten Schatten die Bucht. ” (In blaukalter Tiefe, S. 159)

“DANIEL: Eure Sache. Nichts davon war ihre Sache. Tanja und er waren ein glückliches Paar gewesen, bis sie den Fuß auf dieses Schiff gesetzt hatten.»Ich weiß nicht, warum sie so reagiert«, sagte er. Caroline verzog belustigt den Mund. »Ich schon.«” (S. 158)

Diesen Sprüngen konnte ich manchmal nicht gut folgen. Und mir leuchtete dieser Kunstgriff auch nicht ganz ein. Wenn in der dritten Person erzählt wird, weiß die Erzählerin meist mehr, als der Charakter, um den es in dem Kapitel geht – doch wurde diese Möglichkeit gut genutzt? Es war ein wenig wie in einem Film, in dem die Kamera einzelnen Personen folgt, aber keine Wertung oder Bewertung für das Handeln, die Aktionen abgibt. Im Film ist diese Perspektive schlüssig, im Buch hätte ich die ICH-Perspektive  logischer gefunden.

Die Autorin

Kristina Hauff wurde am Niederrhein geboren. Sie arbeitete als Pressereferentin für Fernsehserien von ARD und ZDF und am Theater. Sie liebt das Segeln auf der Ostsee. Unter ihrem Namen Susanne Kliem schreibt sie erfolgreiche Kriminalromane. Auf der Hanser-Website beantwortet Kristina Hauff 5 Fragen zu ihrem Buch.

“Je länger ich schreibe, desto stärker vertraue ich dem Unbewussten in mir. Blind folge ich allem, was mich fasziniert, was mein Herz in Aufruhr versetzt.” (Kristina Hauff auf ihrer Website)

Wie sie selbst über sich sagt, interessieren sie Fassade und Täuschung, Angst und Selbstschutz, zerbrochene Lebensträume und Vertrauen in sich selbst. Themen, die  in ihren Romanen immer wiederkehren und die auch in tiefblauer Kälte eine große Rolle spielen,

Fazit

Für alle, die Kammerspiele – egal ob im Theater oder Film – mögen und sich in die Atmosphäre auf einem Boot, sowie die raue Landschaft des Nordens gut einfühlen können. Ich werde mir jetzt auf jeden Fall Kristina Hauffs ersten Roman “Unter Wasser Nacht” ansehen.

“In blaukalter Tiefe” von Kristina Hauff
  • Erscheinungsdatum: 20.02.2023
  • 288 Seiten
  • hanserblau
  • ISBN 978-3-446-27581-2
  •  23,00 €

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