1517. Martin Luther verfasst seine weltberühmten 95 Thesen. Damit hat er eine der heftigsten und fruchtbarsten Diskussionen der frühen Neuzeit losgetreten. Wir wollen uns an jedem Donnerstag in diesem “Lutherjahr” in einer Reihe von Beiträgen mit Luther beschäftigen. Auf künstlerische und sehr persönliche Weise.
Ich mache den Anfang mit meiner frühesten Erinnerung an den Namen Martin Luther. Sie stammt aus dem Jahr 1964.
Dem Jahr, in dem dieses Foto entstand. Einschulung in die Martin-Luther-Volksschule in Wattenscheid-Eppendorf. Es wurde noch auf Schiefertafeln mit Griffeln geschrieben und natürlich mit dem “schönen Händchen”. Außer Schreiben habe ich alles mit links gemacht. Werfen, malen, essen, zeichnen. Sogar die Ergebnisse unter den Rechenkästchen habe ich mit links unterstrichen und musste dazu immer den Stift in die andere Hand wechseln. Den Schreibgriffel allerdings hat mir meine geliebte Klassenlehrerin von Anfang an in die rechte Hand gegeben. Ich habe ihr geglaubt, dass das unbedingt so sein muss.
Erst zwanzig Jahre später habe ich bemerkt, dass ich als Linkshänder besser mit links schreibe. Seitdem schreibe ich mit beiden Händen, wie es gerade passt. Meine kleine persönliche Reform.
Kein Wunder also, dass meine Religionsnoten besser waren als die für Handschrift. Eine lesbare Handschrift habe ich nie entwickelt. Den Religionsunterricht aber habe ich geliebt. Ich fand die Geschichten von der Schlange mit dem Apfel, dem brennenden Dornbusch, dem kleinen Moses in dem Bambuskörbchen … unglaublich spannend. Es gab ja weder den Herrn der Ringe, noch Harry Potter. Und in Religion wurde viel gemalt. Ich erinnere mich an einen Versuch, Jesus zu malen, wie er in der Wüste eine Heuschrecke isst. Es wurde dann eher ein großer Stein in einer gelben Landschaft mit eine Art Palme. Ich erinnere mich auch, dass ich damals gelogen habe, mein Opa hätte mich beim Malen erschreckt. Und dass ich mich deshalb vermalt hätte. Ich entschuldige mich hiermit für diese Lüge.
Wir wurden streng nach Konfession eingeschult. Evangelisch oder katholisch. Nur hundert Meter weiter befand sich die katholische Canisiusschule. Wie ich heute weiß, war Petrus Canisius ein jüngerer Zeitgenosse Martin Luthers. Er wurde am 8. Mai 1521 in Nijmwegen geboren. Genau an dem Tag, an dem Kaiser Karl V. im Wormser Edikt die Reichsacht über Martin Luther verhängte. Canisius war ein energischer Vorkämpfer der Gegenreformation. Ihm wird nachgesagt, ein maßgeblicher Befürworter der Hexenverfolgungen gewesen zu sein. Mittlerweile ist er heiliggesprochen. Ob die damaligen Schulträger absichtlich die Namen dieser Gegenpole für ihre Schulen gewählt haben?
Für uns Jungs war das natürlich egal. Wir wussten weder, wer Canisius noch, wer Luther war. Ich war froh auf der Lutherschule zu sein, weil ich Canisius einfach nicht aussprechen konnte. Wir nannten die Schule Karnickelschule. Keine Ahnung, wer das aufgebracht hat. Wir fühlten uns nur irgendwie besser, überlegener. So wie die Canisiusschüler sich vermutlich auch besser fühlten. Das führte – einfach, weil man auf eine andere Schule ging – immer mal wieder zu Raufereien auf dem Nachhauseweg. Mit Religion und Glaubensüberzeugungen hatte das genauso wenig zu tun, wie die heutigen globalen Auseinandersetzungen.
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