Martin Luther 2017

Martin Luther #30 – Warum Luther eine gute Story ist

27. Juli 2017

Die Person Luther ist der Held in der Geschichte der Reformation. Und wer schon mal, mit einem Auge halb zugefallen im Geschichtsunterricht gesessen hat, weiß, dass es bei der Wirksamkeit von Geschichten nicht selten auf ihren Unterhaltungswert ankommt. Katrins geniale Blogreihen über das Schreiben einer guten Story, haben mich inspiriert, Luthers Story mal genauer anzusehen.

Warum also, ist Luthers Leben (immer noch) eine gute Geschichte?

Eine gute Idee

Bestsellerautor Ken Follett legt an eine gute Idee für eine Story folgenden Maßstab an: Sie produziert mit Leichtigkeit mehr als 50 dramatische Szenen.

Wenn dir jemand sagt;

“Okay da ist dieser Luther, und er kriegt raus, dass die ganze katholische Kirche ein falsches Spiel treibt. Und das gesamte Heil der Christenheit hängt davon ab, ob er den Schwindel aufdecken und beseitigen kann.”

Dann fallen einem schnell mehr als 50 dramatische Szenen ein.

Wer ist der Held?

Wer wissen will, was einen Helden ausmacht, kann in Katrins Blogreihe über starke Charaktere reinlesen. Da erklärt sie im Detail, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen ein guter Held an den Tag legen muss, um sich als zentrale Figur in einer Story zu beweisen. Hier ein kleiner Ausschnitt. Katrin sagt, Helden müssen:

– ungewöhnliche Entscheidungen treffen

– mutig und unerschrocken handeln

– Herausforderungen annehmen

– für ihre Ziele kämpfen

– für bestimmte Werte eintreten

– ihre Werte verteidigen

– Erfahrungen machen

– durch Krisen stärker werden

– über ihre eigenen Bedürfnisse hinausdenken

– Respekt einfordern

– nicht aufgeben

Auf den ersten Blick wird klar, dass der Held unserer Reformationsgeschichte diese Kriterien erfüllt. Das heißt wir sind, ob wir den Hauptcharakter nun sympathisch finden oder nicht, auf seiner Seite. Wir identifizieren uns mit ihm. Wir feuern ihn an, zittern mit ihm, wollen dass er gewinnt.

Einer für alle

In ‘The Art of Suspense’, einer Vorlesung über die Entstehungsgeschichte des Thrillers, macht Ken Follett deutlich; in jedem guten Thriller geht es nicht nur um das Überleben des Hauptcharakters, es geht um mehr. Das Abwenden eines Krieges, das Verhindern einer Epidemie oder…die Rettung der Christenheit. Check.

Wir haben also einen starken Helden und einen spannenden Plot. Es ist Gefahr im Spiel und es geht um mehr als das Wohl eines Menschen. Es geht um eine große Sache.

Ein guter Held braucht einen guten Feind

Was wäre Harry ohne Voldemort, Frodo ohne Sauron oder Luther ohne den Papst. Ein Held mit einer Aufgabe, braucht jemandem der ihn zum Kampf herausfordert. Der deutlich macht, an mir kommst du nicht so leicht vorbei. Der all das repräsentiert, gegen das der Held sich auflehnen, gegen das er ankommen, über das er hinauswachsen muss.

Was die katholische Kirche als Feind besonders attraktiv macht, finde ich, ist das Setting, das sie bietet. Der überschwängliche Luxus, die Ausschweifigkeit, der Sinn fürs Verbotetene, fürs Lüsterne. Die Intrigen, Machtspiele und die schiere Übermacht der ganzen Institution. Denn obwohl man in Luthers Story darauf hoffen soll, dass all das ein wohlverdientes Ende findet, ergibt es doch ein Bild, dass man sich gerne ansieht. Die Verschlagenheit der Gegner, das Übermaß der Sünden, das macht nicht nur Angst, das macht auch irgendwie Spaß. Und heizt die Aufgabe des Helden zusätzlich an.

Katrin sagt:

“Helden und Feinde/Antagonisten sind wie die zwei Seiten einer Münze. Wenn ihr also euren Feind und stärksten Gegner des Helden erschafft, dann macht ihn stark und böse und mächtig, denn nur so kann euer Held ebenfalls groß und stark und mächtig werden. Und zeigen, wie kräftig und stark er selber ist.”

Stärken und Schwächen

Wenn der Feind so attraktiv geworden ist, dass man schon fast das Handtuch werfen will und sagen: Okay mach du so weiter wie du denkst, du scheinst ja einen Plan zu haben. Dann braucht der Held etwas, das im Leser den unbedingten Wunsch entfacht, den Helden gewinnen zu sehen. Und das ist interessanterweise eine Schwäche. Damit wir uns mit jemandem identifizieren können, braucht es einen Held der sich anstrengen muss, gegen seine inneren Dämonen anzukämpfen.

Und wie Uwe im letzten Lutherbeitrag schon beleuchtet hat… Luther ist kein Heiliger.

Luther ist ein Besserwisser und Streithahn, ein Zweifler und Grobian. Jemand, der sich selbst im Weg steht und mitunter die größte Gefahr zum Scheitern der Mission in sich trägt.

“Seit mutig und lasst eure Helden mit einer wirklichen Schwäche starten. Etwas, das man nicht so leicht ausbügeln kann.”  Katrin über Charaktere

Luthers Auenland

Natürlich reicht es nicht, dem Held ein Problem vor den Latz zu knallen, mit dem er sich überhaupt nicht identifizieren kann. Denn selbst der widerstrebendste Held muss in letzter Konsequenz aus sich selbst heraus entscheiden, die Herausforderung anzunehmen. Und Frodo kämpft nicht für das abstrakte Gute oder einen sympathischen Vorgesetzten, Frodo kämpft fürs Auenland. Und Luther – für sein Seelenheil.

Als Autor der Reformationsgeschichte wärst du jetzt bereit, Freunde und Verbündete hinzuzufügen, dem Helden Prüfungen und Hindernisse in den Weg zu stellen, Nebenstories zu entwickeln und epische Zusammentreffen von Feind und Held zu inszenieren. Ken Folletts knackiger Advice:

“Immer ist eine Person in Gefahr. Immer eine Liebesgeschichte.”

Und selbst die gibt es in Luthers Story. Eine geflohene Nonne, frisch aus dem Fass. Für sie gibt er sogar das Mönchsein auf.
Ist es zynisch, so mit dem Leben Luthers zu verfahren? Muster an ein Menschenleben anzulegen?
Luthers Geschichte ist anziehend, spannend, ungewöhnlich. Sie hat alle Elemente einer guten Story. Das ist es, was sie für uns heute noch faszinierend macht.
Ich denke, es ist unsere Art uns die Welt begreifbar, Vergangenes erlebbar zu machen. Wir erzählen Geschichte/n. Wir kreieren Stories.  Und schließlich ist das Leben ist eine Story. Weil Stories wie das Leben sind.

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